Die föderalistische Perspektive in der Covid-19-Krise
Mit der andauernden Corona-Krise wird abermals deutlich, dass viele Herausforderungen unserer Zeit nicht allein durch nationalstaatliches Handeln bewältigt werden können, sondern supranationale Konzepte benötigen. Doch mit jeder Herausforderung, ob bei der Finanzkrise, dem Klimawandel, der koordinierten Aufnahme von Geflüchteten oder eben bei der derzeitigen Pandemie verlieren sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union erneut in Uneinigkeit und handeln in erster Linie getrennt voneinander.
Mit einer gemeinsamen Krisen-Koordination in Europa hätten willkürliche Maßnahmen verhindert und von Beginn an schnelle und wirksame Lösungen gefunden werden können. In dieser Krise zeigt sich in besonders drastischer Weise, dass die intergouvernementale Arbeitsweise der Europäischen Union nicht mehr zeitgemäß ist und durch supranationale Strukturen ersetzt werden muss.
Wir Jungen Europäischen Föderalistinnen und Föderalisten fordern die Nationalstaaten auf, endlich aus den vergangenen Fehlern und Krisen zu lernen, nationale Denkmuster zu überwinden und den Weg für starke supranationale Institutionen auf der europäischen Ebene frei zu machen. Die EU-Institutionen müssen nun zeitnah mit weiteren demokratischen und in den EU-Verträgen festgelegten Kompetenzen ausgestattet werden, um langfristig die Handlungsfähigkeit der europäischen Demokratie in Krisenzeiten zu sichern.
Kurzfristig hat die Bewältigung der momentanen Krise höchste Priorität. Erste wichtige Bemühungen der EU-Institutionen – wie beispielsweise die Bereitstellung des Europäischen Stabilitätsmechanismus, der auch in Zukunft weiter als Krisenfonds fungieren sollte, und die Errichtung von „Green-Lanes“ zum effizienteren Warenverkehr für essentielle Güter – sowie die grenzüberschreitende Forschung nach einem Impfstoff zeigen einen richtigen Weg auf. Darüber hinaus müssen auch weitere Kooperationen im Gesundheitsbereich, wie die europaweite Bereitstellung medizinischer Ausstattung sowie die Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitssystemen der Mitgliedstaaten stetig vertieft werden.
Schon der Gründungsmythos der Jungen Europäischen Föderalisten – der Grenzsturm am deutsch-französischen Übergang in St. Germanshof 1950 – zeigt, dass offene Grenzen im europäischen Raum für uns das wichtigste und erste Symbol europäischer Kooperation darstellen. Unter Anerkennung der Vorteile einer temporären Grenzschließung, setzen wir uns in für eine baldige Wiedereröffnung der Grenzen im Schengen-Raum ein.
Mit Bedauern stellen wir fest, dass die gegenwärtige Krisensituation andere alarmierende Ereignisse in der EU überschattet. Es ist nicht hinnehmbar, dass in EU-Mitgliedsstaaten wie Ungarn und Polen anti-demokratische Kräfte die Krise ausnutzen, um demokratische Institutionen auszuhebeln. Die EU-Institutionen müssen geschlossen deutlich machen, dass die derzeitige Krise nicht das Ende unserer gemeinsamen Grundwerte bedeuten darf.
Zu diesen Grundwerten zählt auch das Recht auf Asyl. Diesem Grundwert zum Trotz, ist die Situation in den Flüchtlingsunterkünften an den europäischen Außengrenzen, vor allem in den Flüchtlingslagern in Griechenland, Libyen und der Türkei, nicht mit den Grundwerten der Europäischen Union zu vereinen und erfordert jetzt eine europäische Lösung, die den Grundwerten der europäischen Gemeinschaft gerecht wird.
Für das langfristige europäische Krisenmanagement ist die Etablierung von Euro-Bonds, die in jeder Krise von den betroffenen Mitgliedstaaten gefordert und nach der Krise vergessen werden, wesentlich. Die Zusammenarbeit der europäischen Mitgliedstaaten im Geld- und Finanzsektor würde wirtschaftlich schwächeren EU-Mitgliedern in jeglicher Krisensituation helfen und den nächsten Schritt in der europäischen Integration darstellen.
Die politische Plattform der JEF ist auf den Prinzipien der Subsidiarität, Demokratie, Solidarität, Nachhaltigkeit und Transparenz aufgebaut. Die bereits existierende Verflechtung Europas erfordert mehr Diskussionen über langfristige Lösungsansätze, sowohl um aus dieser und zukünftigen Krisen herauszukommen als auch darüber, wie es in Europa weitergehen soll. Als Europäerinnen und Europäer sind wir davon überzeugt, dass wir solche Krisen nur gemeinsam überwinden können. Wenn wir aus dieser Krise geeint und gestärkt hervorgehen wollen, müssen wir akzeptieren, dass wir #BesserZusammen sind und #EuropeUnited jede Krise überwinden kann!
Der Umgang der JEF-Hessen mit der neuen Wirklichkeit
Trotz geschlossener Staatsgrenzen bleibt der transnationale Austausch auch weiterhin ein Grundpfeiler unserer jugendpolitischen Arbeit. Mit mehreren hessischen Sektionen nehmen wir an dem europaweiten JEF Twinning-Programm zur Vernetzung der europäischen Jugend teil. So stehen bereits jetzt schon die JEF in Frankfurt mit der GFE Verona sowie unsere JEF Sektion in Marburg mit JEF Toulouse in engem Kontakt. Dass der europäische Austausch eine wichtige Säule unserer Arbeit ist, zeigt sich auch an fortlaufenden Webinarreihen rund um aktuelle politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen in Europa, an denen neben anderen europäischen Sektionen und Partnern auch immer wieder Europa-Politikerinnen und -Politiker teilnehmen. Eines wird dabei für uns ganz deutlich: Das Internet macht aus jeder europäischen Veranstaltung eine lokale Veranstaltung, weil sie genau dort stattfinden kann, wo sich Interessierte dazu schalten wollen. Sei es am Schreibtisch, auf der Terrasse oder im Bus: Digital heißt lokal für alle.
Trotz einem schnellen Übergang zu unseren digitalen Angeboten, muss aufgrund der Vielzahl von unterschiedlichen Veranstaltungsformaten der JEF auch für die Formate eine Lösung gefunden werden, bei denen die persönlichen Begegnungen vor Ort entscheidend waren. Nicht für jede Veranstaltung, die zu Beginn der Krise noch geplant war, konnte schnell eine Ersatzveranstaltung gewährleistet werden: dass das European Youth Event in Brüssel abgesagt werden musste, traf uns beispielsweise sehr.
Die Suche nach neuen digitalen Veranstaltungsformaten und der Erfahrungsaustausch zur Umsetzung dieser wird dabei intensiv durch eine wöchentlich stattfindende verbandsinterne Online-Akademie “Verbands:stoff Online” der JEF-Deutschland begleitet.
Für das hessische Bildungsprojekt 1040 Berlaymont, das durch die Europaabteilung der Staatskanzlei gefördert wird, konnte mit viel Einsatz der ehrenamtlichen Aktiven jedoch schnell ein digitaler Ersatz geschaffen werden. Mit dem schon Kultstatus erreichten Modul “Wer regiert die EU” haben Schülerinnen und Schüler nun auch in Zukunft die Möglichkeit sich intensiv mit dem Zusammenspiel der EU-Institutionen auseinanderzusetzen. Durchgeführt wird dieses Modul unter anderem. in der Webinarreihe von „Europe@School“ am 15. Mai 2020. Unabhängig von diesem Termin können hessische Schulen auch individuell einen Termin für den digitalen 1040-Berlaymont-Workshop mit uns ausmachen.